Heinz Kinigadner ist für viele der spektakulärste Motorradpilot, den die “Rallye Dakar” je gesehen hat: “Ja, ich habe ein paar Etappen gewonnen. Doch ich bin sieben Mal gestartet und nie ins Ziel gekommen. Ich war sicherlich einer der schnellsten Fahrer im Feld. Ich war aber kein kompletter Rallye-Fahrer – sowohl bei der Vorbereitung als auch beim Navigieren.” HartEnduro.at hat mit Kinigadner gesprochen: über seine persönliche Geschichte mit der “Rallye Dakar”.
Kini & the ‘Dakar’ – english version of this article
Nach seiner Motocross-Karriere in den 1980er-Jahren hatte er an sich keinen übermäßigen sportlichen Ehrgeiz mehr, sagt Heinz Kinigadner: “Das Rallye-Fahren war für mich in erster Linie ein Abenteuer! Das schönste Abenteuer, das man sich wünschen kann.” Das Abenteuer hat für Kinigadner 1992 begonnen. Die lebende KTM-Legende hat die damalige Route von Paris nach Kapstadt allerdings auf einer Yamaha in Angriff genommen – als zahlender Gast bei einem italienischen Team: “Das war alles zusammen eine Katastrophe”, sagt Kinigadner heute über die Tatsache, dass man als Rookie bei der “Dakar” jede Menge Lehrgeld zu bezahlen hat: “Das Motorrad ist dann irgendwann regelrecht auseinandergeflogen. Ganz aus war es, als es beim Starten einfach zu brennen begonnen hat.” Doch schon bei diesem ersten Auftritt hat Kinigadner mit dem Sieg beim Prolog in Paris aufgezeigt: “Blöderweise musste ich dann in Libyen als Erster starten. Und da ist mir ziemlich der Reis gegangen.” In der Folge absolvierte Kinigadner das, was er “Lern-Kurven” nennt: “Im Roadbook stand 120 Kilometer nach Süden. Dann trifft man auf eine Düne mit einem Busch daneben. Nach 120 Kilometern bin ich angekommen. Aber da war keine Düne. Und auch Busch war keiner zu sehen.”
Grundsätzlich sei das Navigieren damals anspruchsvoller gewesen. Daher sei es zu dieser Zeit auch nicht so entscheidend gewesen, das stärkste Motorrad im Feld zu haben. Wer durch schlechte Navigation Stunden verlor, konnte auch aus einem 50PS-Vorteil keinen Vorsprung machen: “Heute haben die Fahrer jedenfalls vier, fünf GPS-Punkte am Navi. Das große Abenteuer – wie damals ohne GPS – ist es heute sicherlich nicht mehr.” Das habe auch den Charakter der “Dakar” verändert: “Heute probieren die Fahrer oft, einige wenige Sekunden rauszuholen – und dann rechnen sie wie bei der ‘Tour de France’ und versuchen, das über 14 Tage zu halten.”
Trotz des verpatzten Debuts 1992 hatte Kinigadner endgültig Feuer gefangen. Neben seiner Abenteuerlust trieb ihn aber auch eine Vision für die damals vergleichsweise bescheidene KTM-Motorradschmiede: “Die Idee war schon, KTM ein neues Betätigungsfeld zu eröffnen. Mitsubishi hatte ja vorgezeigt, dass man um die ‘Dakar’ eine wirklich gute Marketing-Strategie entwickeln kann.” Das Kalkül war, Hobbypiloten in der Winterpause mit den sagenhaften Bildern aus der Wüste Lust auf’s Motorrad zu machen. Ursprünglich wollte man sich dabei nicht an potentielle Siegfahrer wenden, sondern an abenteuerlustige Amateure: “Die LC4 war schon damals ein sicheres Motorrad, weil es gute Federwege hatte. Und 140km/h ist sie damals auch schon gegangen. Man konnte mit ihr also viel Spaß haben in der Wüste. Und 85 Prozent der Teilnehmer bei der ‘Dakar’ fahren für die Freude und das Abenteuer. Da war unser Motorrad ideal, weil es mindestens 100 Kilogramm leichter war als die schweren Zweizylinderbrocken von Cagiva, BMW und all den anderen.”
1994 war Kinigadner dann sozusagen Riding Captain des ersten KTM-Werksteams bei der “Rallye Dakar”. Die folgenden Jahre brachten jede Menge Lektionen für die noch junge Mannschaft: “Marokko – zum Beispiel – ist im Grunde ein riesiger Stein-Haufen und ein sehr kostspieliger Abschnitt der ‘Dakar’. Da haben wir mit zehn Werksfahrern in drei Tagen bis zu 60 Räder zerstört. Weil wir damals schon mit Mousse unterwegs waren, haben die Fahrer die Steinkanten voll genommen.” Dennoch sind beim KTM-Team-Debut alle Werksfahrer durchgekommen – “bis auf mich!” Ein Jahr später hat Kinigadner zu Beginn der Rallye so richtig aufgedreht und sieben Etappen am Stück gewonnen – jedoch ganz ohne Illusionen: “Es war für uns damals unmöglich, mit den großen Teams mitzuhalten. Wir hatten einen Mechaniker und gerade so viele Ersatzteile, wie in unsere sechs Transport-Kisten gepasst haben. Daher wussten wir: das kann sich gar nicht ausgehen. Und so ist es dann auch gewesen: wegen einer Lappalie bin ich ausgefallen.”
So lange die “Rallye Dakar” in Afrika war, musste ein enormer Aufwand betrieben werden, um siegfähig zu sein. Da es keine alternative Route gab, mussten auch die Ersatzteile über die Wettbewerbsstrecke transportiert werden: “Am besten war, zwei Mechaniker in einem PKW zu haben, der richtig schnell fährt. Die haben ein paar ganz wichtige Teile mit gehabt – vielleicht auch einen Reservemotor. Dann hat man einen sehr schnellen kleinen LKW gebraucht. Mit noch mehr Teilen. Denn die großen LKW sind in der Regel erst zwischen 3.00 und 4.00 Uhr in der Früh ins Bivouac gekommen. Die Motorräder sind aber schon gegen 6.00 Uhr Früh gestartet. Da kann man sich ausrechnen, dass nicht mehr viel Zeit für große Reparaturen bleibt. Und die Mechaniker sind dann ja auch wieder ganz normal in ihre Etappe gestartet.” In diesem Punkt ist die “Dakar” in Südamerika sicherlich gnädiger zu den Mechanikern. Denn hier gibt es Alternativ-Routen, die zumeist auch asphaltiert sind.
Was die Dakar-Rider damals in Afrika und heute in Südamerika unverändert gemeinsam haben, ist die Kameradschaft: “Wenn einer ein Problem hat, dann bleibt jeder stehen. Wenn’s natürlich vorne um die Spitzenplätze geht, dann wird man sich nicht allzu lange beim Konkurrenten aufhalten, wenn der nur einen technischen Defekt hat. Auch die beiden ‘Lieblingsfeinde’ Marc Coma und Cyril Despres werden füreinander stehen bleiben und nachfragen, was los ist. Gar keine Diskussion!”
Sieben Mal hat Heinz Kinigadner das Rennen nach Dakar in Angriff genommen. Im Jahr 2000 hat ein unglaublicher Sturz bei 180km/h dieses Kapitel seiner Renn-Karriere aber schlagartig beendet: “Da hat es mir den Oberschenkel ziemlich zertrümmert. Ich muss im Nachhinein sagen, dass das psychisch für mich irgendwie der unspektakulärste Unfall war: denn ich bin sofort bewusstlos gewesen. Ich konnte mich also nicht erinnern, wie der Unfall passiert ist und als ich im Hubschrauber zu mir gekommen bin, war ich bereits bestens betreut.” Bei der folgenden “Dakar” im Jahr 2001 hat Fabrizio Meoni den ersten Gesamtsieg für KTM eingefahren. Diese Siegesserie hat bis 2011 gehalten. To be continued… (c. panny, hubert lafer)
STORY: “Wir müssen das Tempo bei der Dakar drosseln!” (und warum das 2019 nicht passieren wird)
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photos (c) Heinz Kinigadner privat