Peter Weiss: "Die Rally mit den Augen der Rennfahrer sehen."
Offiziell standen 32 Namen auf der Gold-Starterliste der 'Red Bull Romaniacs'. Doch tatsächlich haben 33 Piloten die schwierigste Variante des Karpaten-Klassikers in Angriff genommen. Der Däne Peter Weiss war keine fünf Jahre alt, als sein Vater ihm eine kleine Kawasaki ohne Motor zum Spielen vor die Nase setze. Sehr schnell war klar, dass dies wohl eine Lebensliebe wird. Die Zweirad-Karriere des Peter Weiss hat viele Kapitel. Mittlerweile ist er ein vielbeschäftigter Strecken-Scout und Designer für Hard-Enduro-Veranstaltungen in Mittel- und Südamerika. Vor der 'Red Bull Romaniacs' war er in diesem Jahr zunächst als Track-Manager engagiert. Während der Rally fuhr er dann ausser Konkurrenz in der Gold-Klasse mit. Streckenevaluierung unter Rennbedingungen.
IG.G: Peter, im offiziellen Booklet der 'Red Bull Romaniacs' war in diesem Jahr je nach Klasse von bis zu 600 Kilometer Race-Tracks zu lesen. Doch waren die einzelnen Klassen oft auf weit getrennten Spuren unterwegs und ihr habt im Vorfeld auch eigene Tracks für die verschiedenen Helfer angelegt. Wie viele Kilometer habt ihr für die 'Red Bull Romaniacs 2015' insgesamt vorbereitet?
Peter Weiss: (lacht) Definitiv mehr als 600! Wenn ein Renntag für eine Klasse zum Beispiel 100 Kilometer lang ist, dann sind dafür sicherlich an die 500 gescoutet worden. Doch es geht nicht nur um die Strecken für die vier Renn-Klassen. Es müssen auch die bestmöglichen Routen für die Kamera-Crews gescoutet werden. Dazu noch die für die Live-Reporter der Blogger-Crew, für die Rennärzte und für all die Leute, die die Checkpoints und die Tankpunkte aufbauen. Wenn man das alles zusammenzählt, so gibt es bei der 'Red Bull Romaniacs' insgesamt fast 6000 Kilometer an unterschiedlichen Tracks. Das allermeiste davon scoutet und fixiert mein Freund Klaus Sørensen als Track-Director der Rally.
Peter Weiß beim IG.G-Interview im 'Cafe Wien' in Sibiu.
IG.G: Du bist vor der Rally in diesem Jahr als Track-Manager im Einsatz gewesen. Was ist da konkret die Aufgabe?
Peter Weiss: Im Grunde haben Martin Freinademetz und Klaus Sørensen die Strecken der vier Offroad-Tage bereits vergangenes Jahr im Herbst festgelegt. Als Track-Manager ist man dann in den Wochen und Monaten vor der Rally für jeweils einen Tag zuständig. Bei mir war das dieses Jahr Tag 1. Meine erste Aufgabe ist, zu schauen, ob und wie sich die Strecke im Winter verändert hat. Da können sich ganze Bachläufe geändert haben, Bäume und Felsen können die Spur blockiert oder zerstört haben. Es ist unser Job, neue Hindernisse entweder zu beseitigen oder einen Weg herum zu finden. Weiters müssen wir die Spur auch bei Schlechtwetter testen. Manchmal muss man bei Regen Alternativpassagen anbieten. Das ist ja ein wichtiger Teil des Konzepts der 'Red Bull Romaniacs': Wir wollen, dass jede Klasse eine hochwertige Strecke vorfindet. Sie soll herausfordernd, aber bewältigbar sein. Und niemand soll verloren gehen.
Der Track-Profi im Renneinsatz: Peter Weiss am zweiten Checkpoint der zweiten Offroad-Etappe.
IG.G: Du bist selbst ein viel beschäftigter Track-Designer bei einigen Veranstaltungen in Mittel- und Südamerika. Du suchst und entwickelst Hard-Enduro-Etappen in Ecuador, Kolumbien, Mexiko und Brasilien. Worauf kommt es an? Muss ein Streckenplaner in der Lage sein, die schwierigsten Passagen auch selbst zu bewältigen?
Peter Weiss: Ja, das würde ich so sagen. Wenn man eine gute Strecke bauen will, dann muss man sie auch komplett ausprobieren. Nur dann weiß man, ob das für die jeweilige Klasse machbar ist. Wenn du nicht das Können oder den Mut hast, eine technisch schwierige noch unbekannte Passage selbst zu fahren, dann kannst du insgesamt kein Qualitätsprodukt anbieten. Das war auch der Gedanke hinter der Idee, dass ich selbst dieses Jahr in der Gold-Klasse mitgefahren bin. Da geht es auch um ein Signal an die Fahrer, dass wir sehr genau wissen, was wir tun. Es geht auch um Vertrauen: die Piloten verlassen sich darauf, dass wir die Strecke mit Bedacht festgelegt haben. Sie können sich darauf verlassen, dass es machbar ist. Das gilt für alle Klassen.
Scouting und Suche nach der besten Rennspur: Peter Weiss bei der Arbeit in Ecuador….
…und in Brasilien: "Alle geplanten Abschnitte selbst testen."
IG.G: Was hast du bei deinem Einsatz als ausserordendlicher Gold-Starter Neues gelernt?
Peter Weiss: Es sind wie zwei höchst verschiedene Seiten derselben Medaille. Beim Scouten ist man wirklich lange am Bike, man schiebt viel, man kämpft sich durch unangenehmes Terrain, das dann oft doch nicht geeingnet für's Rennen ist. Das ist manchmal wirklich hart und anstrengend. Und auch gefährlich, weil man ja wirklich auf sich alleine gestellt ist. Das Rennen aber ist nochmal eine ganz andere Belastung. Der Rennstress, die Müdigkeit, der Zeitdruck – die Strecke sieht durch die Augen der Rennfahrer wirklich anders aus. Und als Streckenbauer wird man oft überrascht von den Fahrern. Zum Beispiel hatten wir einmal eine Auffahrt, wo wir sicher waren, sie würden sich da Zick-Zack raufarbeiten. Sie sind aber ohne mit der Wimper zu zucken einfach grad rauf gefahren. An einer anderen Stelle haben wir beim Planen der Strecke für eine Abfahrt und eine Auffahrt gut 50 Minuten veranschlagt. An den GPS-Daten haben wir aber gesehen, dass Jonny und die anderen für diesen Abschnitt nur 14 Minuten gebraucht haben. Sie fahren einfach anders und das Niveau wird immer höher. Wir müssen uns jedes Jahr auf's Neue darauf einstellen.
"Das Niveau wird immer höher. Wir müssen uns jedes Jahr auf's Neue darauf einstellen."
IG.G: Kann man beim Scouten und Festlegen der Strecke auch atwas falsch machen? Was kann schief gehen?
Peter Weiss: Es kann einiges schief gehen! Ganz besonders, wenn man Sektionen in der Strecke hat, die zuvor nicht getestet worden sind; auf denen keiner der Streckenbauer gefahren ist. Das ist problematisch. Vor allem, wenn es eine Gold-Sektion ist. Je höher der Schwierigkeitsgrad desto wichtiger ist es, diese Abschnitte zu testen. Denn man setzt die besten Piloten der Welt dieser Passage aus. Das heißt, man hat hier auch die größte öffentliche Aufmerksamkeit. (interview: c. panny, hubert lafer)
LINK: English version of the interview on Goldentyre.com