Die Karten werden neu gemischt
Der Patron tritt ab. Mit 38 Jahren lässt Marc Coma das Renn-Fahren sein: "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören. Meine sportliche Karriere auf dem Motorrad ist nun vorbei." Sein Rücktritt wird einiges in Bewegung bringen, sowohl im Fahrerfeld als auch intern im "Red Bull KTM Rally Factory Racing Team".
Marc Coma ist zwölf Mal bei der 'Dakar' gestartet. Einmal hat er auf afrikanischem Boden gewonnen, weitere vier Siege sind ihm in Südamerika gelungen. Zwar bleibt der Ausnahmepilot der 'Dakar' als Sportdirektor erhalten. Das Fahrerfeld aber muss sich neu ordnen. Denn der Kapitän des "Red Bull KTM Rally Factory Racing Team" war ein Gravitationspunkt für das gesamte Motorrad-Feld.
Marc Coma steigt nach fünf 'Dakar'-Siegen vom Motorrad ab.
Einerseits war Marc Coma eine informelle Führungsinstanz unter den Piloten. Vor allem aber haben sich die meisten Sieganwärter mit ihrer Strategie und Taktik an Marc Coma orientiert. Wenn ein Abschnitt schwierige Navigation versprach, hat man den KTM-Superstar eher nicht attackiert und sich in seinem Windschatten durch die kniffligen Passagen führen lassen. Angriff und Abwarten wurden zu einem großen Teil davon abhängig gemacht, was Marc Coma tut.
Heinz Kinigadner: "Jetzt steht unsere nächste Generation in der Auslage."
KTM-Legende Heinz Kinigadner erwartet deshalb bei der 'Dakar 2016' einen höchst spektakulären Rennverlauf: "Es gibt jetzt fünf bis sechs Fahrer, die absolut für den Sieg in Frage kommen. Da wird jetzt jeder seine Chance suchen." Im Rennen um die neue Hackordnung wird vor allem das KTM-Werksteam in rauem Gegenwind fahren. Seit dem Premierensieg des Italieners Fabrizio Meoni im Jahr 2001 hat KTM ohne Unterbrechung die Motorrad-Wertung gewonnen. Die Werksfahrer von Honda, Sherco und Yamaha werden alles versuchen, um diese Serie zu brechen. Denn nach dem Abgang des Fünffachsiegers Marc Coma muss sich auch das "Red Bull KTM Rally Factory Racing Team" gruppendynamisch neu ordnen und die Rollen neu verteilen.
Matthias Walkner: "Einer der Größten tritt ab. Ich bin dankbar, dass ich von ihm lernen durfte."
"Jetzt steht unsere nächste Generation in der Auslage", sagt Heinz Kinigadner und er meint damit das Trio Toby Price, Matthias Walkner und Sam Sunderland. Alle drei haben ihr großes Potential bereits unter Beweis gestellt: "An ihrem Talent gibt es keinen Zweifel", sagt Kinigadner: "Doch bis jetzt hatten sie die Sicherheit, dass sie hinter den breiten Schultern von Marc Coma keinen echten Druck hatten, um den Gesamtsieg fahren zu müssen." Das ändert sich jetzt schlagartig.
Marc Coma am 16. Jänner 2015 im Ziel der 'Dakar'-Etappe von Termas Rio Hondo nach Rosario.
Der Australier Toby Price kann sicherlich als ein "logischer" Nachfolger bezeichnet werden. Er ist bei seiner 'Dakar'-Premiere recht unbeschwert auf Platz Zwei gefahren: "Aber jetzt muss er zeigen, wie er mit dem Erwartungsdruck zurecht kommt. Das ist schon eine ganz andere Situation für den Burschen", sagt Heinz Kinigadner. Auch der Salzburger Matthias Walkner kann als logischer Nachfolger gelten. Das zeigt alleine die Tatsache, dass Walkner nach Comas Rückzug aktuell die Gesamtwertung „FIM Cross-Country Rallies World Championship 2015“ anführt. Der Brite Sam Sunderland hat formal zwar die meiste 'Dakar'-Erfahrung dieses Trios. Doch hat er tatsächlich die wenigsten 'Dakar'-Kilometer absolviert. Sunderland muss nun vor allem beweisen, dass er die 'Dakar' konstant und beständig durchfahren kann.
Große Aufgabe: Matthias Walkner und Toby Price: die nächste KTM-Generation bei der 'Dakar'.
Auch wenn sich dieses KTM-Trio der nächsten Generation blendend versteht und sehr gut miteinander auskommt: die Drei müssen auch im rennmäßigen Umgang miteinander eine neue Rollenverteilung entwickeln. Das ist ein normaler und bisweilen schwieriger Prozess. Auch aus diesem Grund ist Heinz Kinigadner realistisch in Bezug auf die Siegchancen der Werks-KTMs bei der 'Dakar 2016': "Ich denke die KTM-Chancen sind mit Marc Coma bei 80 Prozent gelegen. Jetzt liegen sie bei 50 Prozent." (c. panny, hubert lafer)